Freitag, 9. November 2007
„Free Rainer“, Vorpremiere
Ja, nachdem Free Willy damals so toll war, habe ich mir nun die Fortsetzung angesehen: Free Rainer. Kaum fing der Film an, musste ich feststellen, dass es NICHT um Delfine (Delphinidae) ging, liebe Barbarane, sondern um die üblichen Säugetiere, die man auf Zelluloid wirken sieht, nämlich unsereiner.

free rainer1

Der Film startet furios. Total zugekoskt, mit einer Pulle Alkohol in der Hand, rammt Rainer (Moritz Bleibtreu) beim Ausparken einen Polizeiwagen und gibt Vollgas bei seiner Fahrt durch die Stadt. Zu Hardcore-Mucke missachtet er, der erfolgreiche Fernsehproduzent, jede Verkehrsregel – Leben auf der Überholspur.

Er ist Formatentwickler für Shows der übelsten Sorte: Deutschland sucht das Superbaby – wessen Sperma am schnellsten sein Ziel erreicht hat, darf die Kandidatin schwängern. „Unterschichten-TV“, das – auf der Jagd nach Quote – die Leute nur weiter verdummt und sogar über Leichen geht.

Bis Rainer von einer jungen Frau mit voller Absicht angefahren wird. Im Delirium sieht er sich, schwer verletzt und blutüberströmt, im Fernsehstudio liegen, alptraumhaft flackernde Bilder, und ein total debiles Publikum soll darüber abstimmen, ob er die lebensrettende OP erhält oder nicht...

Und wie das in modernen Märchen so ist, denkt Rainer um – und setzt nun alles daran, die Quote zu sabotieren, um Qualität zum Siegeszug zu verhelfen. Er lässt alles hinter sich...

free rainer2
…auch seinen Fernseher…

free rainer3
...und stellt eine Art Guerillatruppe zusammen.

free rainer4
Klasse: Milan Peschel als Sozialphobiker Philipp.

Ihr Plan geht auf: Auf einmal sacken die Quoten fürs Titten- und Dumpf-TV weg, arte und andere Hochkulturkanäle erleben einen kometenhaften Aufstieg, Dokus und Anspruchsvolles sind auf einmal die heißeste TV-Ware. Man spricht vom „Ende des TV-Terrors“ und von einem neuen „geistigen Frühling“...

Mehr verrate ich nicht.

Regisseur Hans Weingartner (Die fetten Jahre sind vorbei) war sehr sympathisch und auskunftsfreudig. Ihm geht diese Sch...quote mächtig auf den Senkel, das spürte man. Zugleich ist er indirekt auch davon abhängig. Gehen kaum Zuschauer in seinen Film, dürfte er es schwer haben, ein neues Filmprojekt in Angriff zu nehmen...

free rainer5

Besonders haarsträubend findet er, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen sich dem Flachniveau der Privaten angeglichen haben. So gibt es seit 2001 in der ARD, so Weingartner, eine interne Richtlinie, nichts Sozialkritisches nach 20 Uhr zu senden – „die Leute wollen ja abspannen“. Schnitt.

Einen Abspann nach dem langen Dialog mit dem Regisseur gab es nicht. Zumal der arme Kerl noch nach Mitternacht Interviews über sich ergehen lassen musste. Wohlwollende Zuschauerkommentare schienen ihn aber zum glücklichsten Menschen auf Erden zu machen: „Ich sag’s halt immer: Ich liebe Freiburg“, strahlte er.

... comment