Montag, 3. November 2014
The Notwist im Jazzhaus: Nuancen im Chiaroscuro
mysterox, 16:28h
Zu sechst tritt die bayrische Combo aus dem gottvergessenen Städtchen Weilheim an. Auffällig: Soundtüftler Martin Gretschmann (Console) ist diesmal nicht am Start. Seinen Platz nimmt Cico Beck von der Vorband Joasihno ein. Das neue Line-up der Band besteht neben den Achern-Brüdern aus Andi Haberl (Schlagzeug, Percussion & Gesang) sowie Max Punktezahl (Gitarre & Keyboards), und, recht frisch, aus dem Norweger Karl Ivar Refseth am Vibraphon.
Optisch liegt der Dreier vorne auf einer Linie: Trage Bart, volles Zauselhaar und dunkle Brille, und schon bist du dabei. Das Setup wirkt wie ein ausgefeiltes Klanglabor, angereichert mit allem, was Geräusche macht, darunter allerlei Glöckchen und Klangschalen. Für Lichteffekte sorgen eine Vielzahl gleichgeschalteter LED-Leisten, einige Strahler und flackernde Stroboskopblitze.
Die Jungs stehen selbstvergessen auf der Bühne und verschwinden fast im Chiaroscuro, hinter ihrer Musik, hinter ihrem Werk. Und wo gibt es das schon, dass die Band so gut wie nichts sagt außer zwei, drei kurzen Halbsätzen (darunter so grandios nichtssagende Perlen wie „Hallo heute Abend beim Konzert“, die man überall unterbringen kann) und dabei nicht als arrogant rüberkommt, sondern als extrem konzentriert und bescheiden? Hier steht eine Institution, eine Referenzband auf der Bühne.
Auf den Opener „Good Lies“ vom letzten Album The Devil You + Me (2008) lassen The Notwist gleich den ersten Track vom aktuellen Werk – wieder ein Meilenstein – Close To The Glass folgen, dann das ebenso neue und mitreißende „Kong“. Vom epochalen Meisterwerk Neon Golden (2002) erklingen „One With the Freaks“, „Pick Up the Phone“ und „This Room“, bevor die Band mit „One Dark Love Poem“ zur Zeitreise zurück ins Jahr 1992 abhebt und anschließend wieder die Kurve in die Jetztzeit kriegt. Nach gut einem Dutzend Songs ist erstmal Schluss, bevor die Truppe nochmal ein halbes Dutzend nachlegt, darunter „Neon Golden“ und „Consequence“. Darin heißt es: „Leave me hypnotized, love.“ Genauso ist es.
Was früh, vor über 25 Jahren, im Geiste des Punk, Hardcore & Metal entstand, hat sich über die Jahre und Jahrzehnte hinweg zu einem eigenen Klangkosmos gemausert, bei dem die Rockanleihen in den Hintergrund gerutscht sind und die elektronischen und minimalistischen Elemente die Oberhand gewonnen haben.
Erstaunlich, wie die Band selbst älteren Stücken ein zeitgemäßes „So-klingen-Notwist-2014“-Gewand auf den Leib schneidert, ohne ihre Songs nur billig aufzubrezeln. Elektrodrums und fette Bassdrum, der physisch ungemein präsente Bass von Micha Acher und der Synthiebass, der am Vibraphon gestrichene Geigenbogen, egal ob analog oder digital – alles wird ungemein organisch miteinander verwoben und greift präzise ineinander, immer wieder schält sich die Melodie dabei heraus.
Nein, The Notwist bleiben sich – Sprachhülse hin oder her – im beständigen Wandel und Häuten absolut treu. Neuerfinden, Verdichten, Umarrangieren, all das ist integraler Bestandteil ihres musikalischen Selbstverständnisses. Vielleicht einzige Konstante über all die Jahre ist der melancholische Grundton, wobei die Live-Performance der Truppe einer Art komplexer Ekstase gleicht, befeuert von hypnotisch-repetitiven Momenten und Noise-Soundscapes, die stets kleine Finessen und feine Nuancen herausarbeiten.
Die Musiker selbst, die Personen und Persönlichkeiten dahinter, gehen ganz in ihrer Musik auf. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass das Sextett oft nur schemenhaft zu erkennen ist, zumal die Strobos ins Publikum flashen. Ihre Fans halten ihnen dabei die Stange – vom gesetzten Indienerd jenseits der 50 bis hin zum Technofreak um die 30. Wenn diese Ausnahmemusiker so weitermachen, auch noch die nächsten 25 Jahre. Mindestens.
Optisch liegt der Dreier vorne auf einer Linie: Trage Bart, volles Zauselhaar und dunkle Brille, und schon bist du dabei. Das Setup wirkt wie ein ausgefeiltes Klanglabor, angereichert mit allem, was Geräusche macht, darunter allerlei Glöckchen und Klangschalen. Für Lichteffekte sorgen eine Vielzahl gleichgeschalteter LED-Leisten, einige Strahler und flackernde Stroboskopblitze.
Die Jungs stehen selbstvergessen auf der Bühne und verschwinden fast im Chiaroscuro, hinter ihrer Musik, hinter ihrem Werk. Und wo gibt es das schon, dass die Band so gut wie nichts sagt außer zwei, drei kurzen Halbsätzen (darunter so grandios nichtssagende Perlen wie „Hallo heute Abend beim Konzert“, die man überall unterbringen kann) und dabei nicht als arrogant rüberkommt, sondern als extrem konzentriert und bescheiden? Hier steht eine Institution, eine Referenzband auf der Bühne.
Auf den Opener „Good Lies“ vom letzten Album The Devil You + Me (2008) lassen The Notwist gleich den ersten Track vom aktuellen Werk – wieder ein Meilenstein – Close To The Glass folgen, dann das ebenso neue und mitreißende „Kong“. Vom epochalen Meisterwerk Neon Golden (2002) erklingen „One With the Freaks“, „Pick Up the Phone“ und „This Room“, bevor die Band mit „One Dark Love Poem“ zur Zeitreise zurück ins Jahr 1992 abhebt und anschließend wieder die Kurve in die Jetztzeit kriegt. Nach gut einem Dutzend Songs ist erstmal Schluss, bevor die Truppe nochmal ein halbes Dutzend nachlegt, darunter „Neon Golden“ und „Consequence“. Darin heißt es: „Leave me hypnotized, love.“ Genauso ist es.
Was früh, vor über 25 Jahren, im Geiste des Punk, Hardcore & Metal entstand, hat sich über die Jahre und Jahrzehnte hinweg zu einem eigenen Klangkosmos gemausert, bei dem die Rockanleihen in den Hintergrund gerutscht sind und die elektronischen und minimalistischen Elemente die Oberhand gewonnen haben.
Erstaunlich, wie die Band selbst älteren Stücken ein zeitgemäßes „So-klingen-Notwist-2014“-Gewand auf den Leib schneidert, ohne ihre Songs nur billig aufzubrezeln. Elektrodrums und fette Bassdrum, der physisch ungemein präsente Bass von Micha Acher und der Synthiebass, der am Vibraphon gestrichene Geigenbogen, egal ob analog oder digital – alles wird ungemein organisch miteinander verwoben und greift präzise ineinander, immer wieder schält sich die Melodie dabei heraus.
Nein, The Notwist bleiben sich – Sprachhülse hin oder her – im beständigen Wandel und Häuten absolut treu. Neuerfinden, Verdichten, Umarrangieren, all das ist integraler Bestandteil ihres musikalischen Selbstverständnisses. Vielleicht einzige Konstante über all die Jahre ist der melancholische Grundton, wobei die Live-Performance der Truppe einer Art komplexer Ekstase gleicht, befeuert von hypnotisch-repetitiven Momenten und Noise-Soundscapes, die stets kleine Finessen und feine Nuancen herausarbeiten.
Die Musiker selbst, die Personen und Persönlichkeiten dahinter, gehen ganz in ihrer Musik auf. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass das Sextett oft nur schemenhaft zu erkennen ist, zumal die Strobos ins Publikum flashen. Ihre Fans halten ihnen dabei die Stange – vom gesetzten Indienerd jenseits der 50 bis hin zum Technofreak um die 30. Wenn diese Ausnahmemusiker so weitermachen, auch noch die nächsten 25 Jahre. Mindestens.
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