Montag, 30. Mai 2011
Schwierige Entscheidungsfindung: Fassadenfarbe
An der Fassadenfarbe scheiden sich die Geister. Nach langen Jahren Palaver ist es uns allen tatsächlich gelungen, uns miteinander abzustimmen und einig zu werden: Endlich wird mal in das Doppelhaus investiert. Und zwar müssen die Südbalkone (Asbest, Statik) saniert werden. Wenn schon ein Gerüst steht, dann lassen wir die Fassade nach ca. 25 Jahren auch mal wieder streichen, was auch dringend nötig ist. Zumal wir in unserem Straßenzug die absolute Minderheit sind: Fast alle anderen sind in den letzten Jahren und Monaten mit gutem Beispiel vorangegangen. Außerdem wird noch die Durchfahrt gedämmt.

Die Kosten dafür werden auf 100.000 Euro taxiert. Da nicht genug Rücklagen vorhanden sind, wir alle also nicht genug Zaster gemeinsam beiseite gelegt haben, muss jeder gemäß seinen Anteilen zuschießen - das ist kein Pappenstiel.

Da ist es verständlich, dass die meisten Eigentümer, die in dem Haus wohnen, sicher gehen wollen, dass nach all dem Renovieren eine schöne Farbe das Haus ziert. Doch was ein jeder, eine jede darunter versteht, divergiert massiv. Während sich die meisten dafür in unzähligen Sitzungen, Treffen und Vor-Ort-Terminen aufreiben bzw. einbringen, lässt einige wenige das Thema kalt - zumindest bringen sie sich nicht bei den ganzen Terminen ein, indem sie sich gar nicht erst blicken lassen. Interessiert mich nicht, heißt es auf Nachfrage.

Die letzten Mal schlugen die Wellen hoch, als es um die Farbwahl ging. Die Balkone, das ist beschlossene Sache, werden verglast. Zwischen Doppelglasscheiben wird allerdings noch eine weiße Schicht eingebracht, sodass die Balkongeländer sich spiegelnd-hell geben. Die Fensterrahlem sind weiß. Diese beiden Fix-Punkte muss man berücksichtigen bei der Farbwahl, klaro.

Nachdem unendlich viele Unfarben (aus meiner Perspektive) zur Sprache und in die Auswahl kamen, darunter Cognac, Lava, Hellgelb, Sandfarben, Beige und allen Ernstes Briefkuvertfarben, Eierschal, Hornhautumbra und dergleichen, regte sich Widerstand gegen so wenig Mut zur Farbe für so viel Geld.

Für die Farbverweigerer läutete ich einen kompromissfähigen Zwischenton ein: hellgrau. Zu dem passen wenigstens die anvisierten Türen. (Komischerweise wollten fast alle ROTE Türen haben - und das, ohne dass die Fassadenfarbe auch nur annähernd entschieden war...). Dieser wurde in einige Schattierungen durchdekliniert, bis das halbwegs konsensfähige Ergebnis feststand: Rose 5. Heißt Rose, ist aber weder freundlich noch blumig oder gar rosé.

Die zweite Fraktion, angeführt von mysterox und der Italoconnection, hat sich für einen warmen Rotton stark gemacht: bordeauxrot, weinrot, hellrot - je nach Konsensfähigkeit. Leider sind viele nicht sonderlich stilsicher in Farbfragen, erdreiste ich mich zu behaupten. Da soll rot (Fassade) mit blau (Türen) kombiniert werden oder oliv (Sockelfarbe) mit hellgelb (Wandfarbe). Welcome back, kaltes Grausen!

Die kühlen Rechner argumentieren: Rot zerschieße (wechselweise: verschieße) so schnell. Das sehe dann scheußlich aus. Man müsse bei derart kräftiger Pigmentierung - helles Rot - mit vorzeitiger Alterung rechnen. (Also nach 23 statt nach 25 Jahren streichen? Wer von uns wohnt denn dann noch dort? Und macht das wirklich so einen Wahnsinnsunterschied?)

Die Kinder stimmten alle für Rot. Doch auf die hört ja keiner.

Je nachdem, wer sich der Sache annimmt und wie man welche Eigentümer bzw. deren Anteile zählt, ergibt sich ein unterschiedliches Stimmungsbild: Nach anfänglichem Advantage Grey feierte Rot nicht mehr für möglich gehaltene fröhliche Urständ' und ein Stimmungshoch in den Umfragen. Nachdem nun in der letzten Runde auch diejenigen gefragt wurden, die Interessiert mich nicht gerufen hatten, steht die Mehrheit für Grau. Rot wurde in letzter Sekunde von der Kühl-&-Sachlich-Fraktion ausgebremst & abgebügelt. Graue Mäuse votieren für Grau. Sam.

Und hinter der Fassade?

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