Freitag, 10. Juli 2009
Toni Mahoni: Sanfter Terrorismus und senile Späße
Toni Mahoni

Der Hauptpreis des ZMF für die vertrackteste, lichtjahreweit ausholende Ansage geht an – den Vorzeigeblogger Toni Mahoni! Der Alltagsphilosoph wirbt für sanften Terrorismus, bunte Knallerdrogen und senile Späße. Und das mit einer gut aufgelegten Band.

Kurz vor zehn im Spiegelzelt, das letzte Lied läuft: Allet is eins. Mitten im Song bricht der Sänger ab und brüstet sich: „So, jetzt kommt die Strophe für zehn Euro! Die ist so gut, die könnt ihr euch gleich notieren. Die allein ist das Eintrittsgeld schon Wert!“

Von der Blogosphäre ins Zeltland: In hellgrauem Kapuzenpulli, Jeans und Turnschuhen setzt sich Toni Mahoni an den Tisch, auf dem Kopf einen beigen Hut. Security ist sein Thema, offensichtlich inspiriert von den freundlichen Ordnern auf dem ZMF-Gelände. „Hier habt ihr jetzt Sicherheit. Ungefähr für fünf Stunden. Hier kommt keiner rein. Und keiner raus“, droht er witzelnd. Noch eine kurze Warnung an Thrombosegefährdete, und schon kann’s losgehen.

Kaum kündigt er den ersten Song Sonne an, prasselt, auf die Sekunde genau getimet, der Regen aufs Zeltdach. Ja, ZMF, den wirst du einfach nicht los! Piano, Gitarre und Kontrabass bereiten einen erstklassigen Klangteppich für Mahonis verrucht-verrauchten Tieftöner: die Stimme des berlinernden Tom Waits, wie mal jemand schrieb. Und ich jetzt wieder.

ZMF-Regen ausm Spiegelzelt

Vom Horrorszenario rein vegetarischer Beziehungen – grüne Kinder – und der essenstechnisch begründeten Fortpflanzungssperre pinselt die Berliner Schnauze zaghafte Annäherungsversuche zwischen Fleischkonsumenten und (O-Ton Toni) „Vegetarieninnen“: Du ’ne Gurke, isch ’ne Wurst. Und dann ins Bett! Vom Lied Fleisch (und der Fleischeslust) spannt er gekonnt und erzählerisch virtuos den Bogen zum Bulettenklatschen. Eh, watt das is, Alta? Et jibt watt uffe Fresse! Berliner vermöbeln.

Die Ansagen sind weitaus länger als die meist leicht bluesigen Songs. Der Goldene Pedro der verbalen Serpentinen oder irgendeine aus Büttenpapier selbstgehäkelte Trophäe gebührt dem Mann für eine sensationell weit ausholende Hammeransage - doch vorher noch ein wichtiger Hinweis: Wenn die Kacke mal so richtig am Dampfen ist, dann folge dem Dampf! Fang dort ein neues Leben an! – von ausgebüxten Kanarienvögeln über ein Haus aus Meerschweinchenhaar zur Omma des Bassisten, die ihn versehentlich über die Brücke in die Spree befördert, wo er glücklicherweise auf einem just vorbeizuckelnden Dampfschiff landet (da isser wieda, wa), zum Binnenschiffer ausgebildet und schließlich eins wird: Kaptitän! Geschickt die Haarnadelkurve gekriegt zum Titel der stimmungsvollen Pianoballade.

Mahoni entpuppt sich live als eigenwilliger Geschichtenerzähler mit Schmeichelstimme, angenehmem Zungenschlag und einem leichten Helge-Schneider-Touch. Irgendwo skurril und naiv, und dann reitet er auch noch auf seinen Bandmitgliedern herum wie weiland Helge auf Peter: genüsslich und liebevoll in die Pfanne gehauen und vor Publikum zerpflückt.

Toni Mahoni 2

Anarchisch, warmherzig und selbstironisch philosophiert Mahoni über Freundschaft, Beziehung, senile Späße (Computerbrille) und sanften Terrorismus (im Shopping-Center immer nach der Kundetoilette fragen) sowie den Alltag und seine essentiellen Essenzen wie Zigaretten, Mädchenbier oder Sportlermolle oder Fluffenpiwo (gemeint ist Radler) und die bunte Knallerdroge: Kaffee. Ein Hauch von Jarmusch liegt im Kaffeeduft. (Folge dem Dampf!)

Sitzende Ovationen des überschaubaren, aber sichtlich begeisterten Publikums.

Ach so, die Strophe endet so:„Wenn deine Uhr abläuft, dann haste Zeit.“ Und jetzt her mit den zehn Euro!

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