Samstag, 15. Dezember 2007
„Nichts als Gespenster“: Die Schönheit von Traurigkeit
Man nehme einen Bestseller als Vorlage, schnappe sich die Crème de la Crème der deutschen (Jung-)Schauspieler, drehe in fünf Ecken der Welt – und heraus kommt…? Was eigentlich? Ein lakonisches, handwerklich brillantes Roadmovie. Ask mysterox ;-)

USA, Deutschland, Italien, Island und Jamaika. Das sind die Schauplätze für fünf parallel erzählte Geschichten, die unterschiedliche Figuren auf Reisen zeigen. Auf der Suche. Ein junges Paar durchquert die Vereinigten Staaten. Zwei Beziehungsgefrustete, Irene und Jonas, besuchen Freunde in Island. Zwei Freundinnen relaxen auf Jamaika. Eine Frau bändelt mit dem Lover ihrer Freundin an. Eine Frau läuft sich die Hacken wund in Venedig.

Alle diese Storys bebildern die Normalität und das Nomadentum der Um-die-30-Jährigen. So liefert der Film ein interessantes Generationenporträt der Thirty-Somethings. Alle Figuren haben etwas gemeinsam: Sie sind unterwegs, sie wollen etwas erleben, sie sehnen sich – aber wonach? Ja, nach der Liebe, dem Glück, dem Abenteuer. In 119 Minuten entfaltet Regisseur Martin Gypkens langsam und leise ein Panorama der Landschaften, der Gewohnheiten, des Alltäglichen.

Die fünf Handlungsstränge sind verschieden eingefärbt, die Temperaturunterschiede der gezeigten Landschaften extrem – brütende Schwüle auf Jamaika, Schnee in Island –, doch der Seelenzustand bleibt gleich, atmosphärisch dicht, zugleich gespenstisch in der Schwebe. Möglich macht dies der faszinierend gute Schnitt des Films. Und obwohl dieses Roadmovie von Schnitten nur so wimmelt, ist es ein ruhiger, melancholischer, handlungsarmer Film.

Der Schnitt ermöglicht es, dass der Zuschauer sanft durch die episodische Struktur gleitet. Handwerklich ist der Film brillant. Banales Beispiel für den schnittigen Schnitt: Ein Paar beim Sex. Nächste Einstellung: Billardspiel, eine Kugel wird eingelocht.

Der 38-jährige Martin Gypkens hat für seinen zweiten Kinofilm fünf Kurzgeschichten der Bestsellerautorin Judith Hermann verfilmt. „Die Bücher fand ich extrem visuell und sehr filmisch. Das war der Auslöser“, meint der Regisseur im anschließenden Gespräch im prallvollen Kinosaal des Friedrichsbau. „Das Alltägliche zeigen und das ‚Dahinter’: der Versuch, Innerliches darzustellen“. Ein aufwändiges Projekt, eine „logistische Meisterleistung“, wie Gypkens selbst sagt. Obendrein prominent besetzt.

Auch die beeindruckende Schauspielerriege ist Garant dafür, dass der Film funktioniert: August Diehl, Stipe Erceg, Fritzi Haberlandt, Janek Rieke, Jessica Schwarz, Maria Simon und Wotan Wilke Möhring. Sie transportieren, vollenden, verfeinern das Konzept des Regisseurs – „die Schönheit von Traurigkeit“, wie er sagt.

Und was meinen die Zuschauer? Eine junge Frau aus den hinteren Reihen: „Ich hätt’ halt gern mal ’n Film, wenn ich ins Kino geh’, der ’n Anfang hat und ’n Ende.“ Das Ende, so gibt der Regisseur zu bedenken, bleibt offen. „Aber immerhin gibt es eines!“, fügt er schelmisch hinzu. O-Ton Gypkens: „Einfach sitzen und gucken.“ Die Lücken schließen muss der Zuschauer.

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